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Im Namen des Kreuzes: ✖♒☁ϟ☠†!

Wir alle kennen sie, die Kruzifixstreite. Das Kreuz sei grausam, erinnere an Unterjochung und solle besser aus dem Leben verschwinden. Zumindest aus dem öffentlichen. Christen finden solche Forderungen unerhört: Wie kann man so ein zentrales, christliches Symbol nach so langer Zeit plötzlich einfach so abschaffen?! Leben wir denn nicht in einem christlichen Land? Doch die Logik ist offensichtlich: Kreuze verschwinden, wenn die Kirche demontiert wird. Es ist u.a. der Preis dafür, dass zu viel christliche Symbolik zu lange als Zeichen der Macht missbraucht wurde. Zwei Beispiele aus den Tagen, wo die Kirche aufhörte, Jesus zu folgen:

Am Vorabend der Schlacht gegen seinen Rivalen Maxentius sah der römisch-heidnische Kaiser Konstantin angeblich eine Vision. Konstantin deutete das ihm erschienene Bild als die ersten zwei Buchstaben des Wortes „Christus“ – und damit als Orakel. Er ließ das gesehene Symbol, heute als „Christusmonogramm“ bekannt, unmittelbar als Glücksbringer an alle Waffen anbringen. Konstantin gewann die Schlacht. Sein Gegner Maxentius ersoff im Tiber. Konstantin dankte dem Gott der Christen für den kriegerischen Sieg, zu welchem ihm der „Christus“ dank des rechtzeitig angebrachten Monogramms „verholfen“ hatte. Damit begann im Herzen Konstantins „Christendom“ – das verhängnisvolle Zusammenspiel von Kaiser und Kirche. Ohne zu hinterfragen ließ sich die Kirche auf dieses Spiel dankbar ein. Dass der gewaltsame Tod eines Feindes ausgerechnet im Namen dessen gefeiert wurde, der ausdrücklich Feindesliebe gelehrt und praktiziert hatte, und dass ausgerechnet ein solches Ereignis die „christlichen Werte“ eines ganzen Kontinentes für fast zwei Jahrtausende prägen sollte, ist, gelinde gesagt, makaber.

Das sogenannte „Christusmonogramm“ oder Chi Rho.

Noch’n Beispiel. Das Kreuz. Für die ersten Christen war das Kreuz in der Tat ein Zeichen, wie es an Symbolik nicht ausdrucksstärker hätte sein können: In Farbe und 3D sah man im Kreuze Jesu den mächtigen Kontrast zwischen der Brutalität der Welt einerseits und der gewaltlosen Aufopferung Gottes andererseits. Am Kreuz begegnet die gnadenlose Korruption aller weltlichen Systeme und Politik – hier vertreten durch Rom – der grenzenlosen Liebe Gottes – vertreten durch Jesus Christus. Der Hass wird am Kreuz von der Liebe besiegt. Für die ersten Christen wurde das Kreuz das Kennzeichen des endgültigen Triumphs über die Bosheit, das Symbol des Sieges der Vergebung über die Rache, die Personifizierung des göttlichen Vorbildes, nämlich Leben aus Liebe zu lassen anstatt es anderen zu nehmen. Freilich haben nur Christen diese unerhörte Tiefe und Inspiration sehen können, alle anderen fanden diese Symbolik zum Kopfschütteln dumm.

„Alexamenos betet (seinen) Gott an“: Ein Gott, der sich kreuzigen lässt, konnte für den Zeichner dieses Bildes nur ein dummer Esel sein. Er war mit seiner Ansicht nicht allein. (Graffiti aus dem 3.Jh in Rom)

Doch dann begann das Drama. Rom und Kirche wurden ein Herz und eine Seele. Das Kreuz als Wahrzeichen weltlicher Brutalität passte plötzlich nicht mehr, schließlich war man selbst ein Teil Roms geworden. Ebensowenig eignete es sich als Zeichen der Aufopferung – war die Kirche doch nun sehr privilegiert. Was hat man also gemacht? Man deutete das Kreuz kurzerhand um! Nun sah man die Holzbalken auf Golgatha nicht mehr im Sinne Jesu, sondern im Sinne Konstantins: Als Zeichen der Macht, wie es mit dem „Chi Rho“ ja auch schon ganz gut funktioniert hatte. Das Kreuz wurde Symbol geistlicher Obrigkeit im Auftrag des Staates. Mit dreister Unverschämtheit wurde das ehemalige Kennzeichen gewaltloser Liebe zu einem Kriegsemblem, unter dessen Fahne skrupellos in den Kampf gezogen wurde.

Geht’s noch schauerlicher?!

Im Zeichen des Kreuzes: Fernseher mit Scene aus dem Film Das Königreich der Himmel.

Wo christliche Symbolik an die Institution Kirche gekoppelt ist, wird sie logischerweise mit der Institution verbleichen. Als Jesusnachfolger müssen wir uns aber im 21. Jh. fragen: Was kommt danach? Wie gehen wir mit allen Fehlinterpretationen um, welche die Kultur eines ganzen Kontinentes für mehr als eineinhalb Millenien geprägt hat? 

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