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Verräterische Freunde: Liberalismus

Christen sind berufen, „in dieser Welt“ aber „nicht von dieser Welt“ zu sein. So bat Jesus in seinem berühmten Hohepriesterlichen Gebet am Abend vor seiner Hinrichtung. Dennoch haben sich Christen von verführerischen Lichtwesen verleiten lassen, mehr „von dieser Welt“, aber „nicht in dieser Welt“ zu sein. Eines dieser Wesen muss der Liberalismus gewesen sein.

Die Grundidee des Liberalismus ist durchaus christlich: Liberty, liberalis, Freiheit. Frei von Willkür, Macht und Diktatur. Mach doch, was du willst, so lange du deinen Nächsten nicht verletzt. Zu schön, um wahr zu sein. Fast besser als das Evangelium selbst. Wer braucht da noch Theologie und Himmel?

Und so versäumten wir zu sehen, dass der Liberalismus – eine übrigens durch und durch europäische Erfindung – nur im Zusammenspiel mit Kirchen und Glauben funktionieren kann. Die Freiheit, tun und lassen zu können, was man will, funktioniert nämlich nur, so lange alle einer gemeinsamen, starken Ethik folgen. Es erfordert Verantwortungsbewusstsein, Rücksicht und vor allem die Größe, zu Gunsten seines Nächsten zurückstecken zu können. All das wurde jeden Sonntag von den Kanzeln Europas gepredigt.

Fällt das aber weg, offenbart der Liberalismus die ungeschminkte Fratze des gefallenen Individuums: Ego, Ichsucht, Selbstverliebtheit. Genau das passiert: Auf der zwanghaften Suche nach immer neuen „Befreiungen“ hat der Liberalismus sich schließlich auch trotzig von seiner eigenen Mutter, der Kirche, emanzipiert. Wie ein unverständiger Halbstarker fixt er sich jetzt gerade selbst zu Tode – er kann ja machen, was er will. Die geistigen Zwillinge Johnson und Trump sind nicht nur ein Symptom dessen, sie sind vor allem Vorläufer eines Zeitalters ohne Liberalismus, und damit ohne die Werte, die unsere Gesellschaften stark gemacht haben. Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Liberalismus ausgerechnet dort zu faulen beginnt, wo er geboren und aufgezogen wurde – in den beiden ältesten Demokratien des Westens.

„Die Freiheit ist ein wunderschöner Faden im Tuche der Ethik, den man aber nie herausziehen sollte, weil niemand weiß, was dann passiert. Er könnte zu unserem Strick werden.“

Martin Lönnebo

Als Christen sollten wir uns nichts vorgaukeln lassen. Liberalismus darf nicht mit Evangelium verwechselt werden, auch wenn wir das gerne zwischen den Zeilen leben. „Freiheit zu tun, was ich will!“ ist heute keine aktuelle Botschaft mehr. Die Freiheit, zu tun, was ich nicht will, tut hingegen Not: Liebe, Fasten, Verzicht, ein einfaches Leben, schlichte Gastfreundschaft, Kontemplation, Langsamkeit, Weitblick, Hoffnung, Verantwortung, Mut und Kelch ist angesagt. Diese Werte und Übungen haben Jesu Leib und Leben seit jeher gekennzeichnet. Wenn wir wieder in der Welt, aber nicht von der Welt sein wollen, müssen wir dorthin zurückfinden.

2 Kommentare

  1. Markus Eßlinger Markus Eßlinger

    Zu der Aussage “ Die Freiheit, zu tun, was ich nicht will“ paßt auch gut, was Reinhold Messner formuliert hat: «Wenn wir alle auf einen Teil dessen, was wir haben können, was wir nutzen können, was wir genießen können, verzichten und uns dabei wohlfühlen, dann geht’s. Wenn das aber ein negativ empfundener Wert bleibe, dann wird es nicht gelingen. «

    https://www.zeit.de/news/2019-09/19/reinhold-messner-plaediert-fuer-verzicht

  2. Marcusius Marcusius

    Sehr gut, danke für den Link. Ich stimme Messner wirklich zu.

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