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Himmel unn Ääd

Etappe 3

(Wer mit der ersten Etappe beginnen will, klickt hier.)

„Himmel und Erde“ ist auch ein rheinisches Gericht, das mich an meine Heimat und damit an meine jungen Jahre erinnert. Damals war ich noch schlau und hatte alle Antworten. Doch je mehr ich lernte und erlebte, desto mehr Ausrufezeichen verbogen sich zu Fragezeichen. Heute weiß ich vor allem, was ich nicht weiß. Ständig entdecke ich Neues in der Bibel – einem Buch, das ich schon oft von vorne bis hinten durchgelesen habe. Warum zum Beispiel ist mir Himmel und Erde nicht schon viel früher an einer entscheidenden Stelle aufgefallen?

Will man also die geheimnisvolle Verflechtung von Gesetz und Land herausfinden, kommt man nicht umhin, selbst einen Blick ins „Gesetz“ zu werfen. Wie schon erwähnt, handelt es sich um die Thora, zu finden in den fünf Mosebüchern. Alle, die sich je vorgenommen haben, die ganze Bibel zu lesen, erinnern sich gut an jenen Teil, ziemlich weit vorne, wo man steckenblieb und den guten Vorsatz in irgendeiner Wüste zwischen Schwingopfer und Klippdachs begrub. Das ist das Gesetz, und es wundert kaum, das Christen nicht viel damit zu tun haben wollen. Eigentlich müssen wir uns auch gar nicht mit Paragraphen und Details bemühen. Wer Sinn und Zweck des Gesetzes versteht, weiß genug Bescheid. Es geht um zwei zentrale Grundsteine des Lebens: Liebe und Freiheit. Wer Liebe und Freiheit versteht, durchschaut das Gesetz. Ein kurzer Blick auf ein sehr einfaches Gesetz der Bibel macht das schnell klar.

In seiner simpelsten Form findet sich das Gesetz in 1. Mose 2,16-17. Gott liebt und will geliebt werden – freiwillig. Deshalb gibt er dem Menschen die Freiheit zu wählen. Vor dem Sündenfall war das Gesetz noch recht primitiv, zwei Sätze reichten völlig aus, die Möglichkeiten und Konsequenzen abzudecken.

Bedeutungsvoll ist, woran sich das allererste und -einfachste Gesetz der Bibel manifestiert: An einem Baum. Wär der Schöpfer evangelikal oder ein Pfingstler gewesen, hätte er Adam sicher eine Moralregel gegeben, etwa „an dem Tag, wo du deine Familie schlägst, wirst du des Todes sterben“. Stattdessen macht er einen Baum zum Teil seines Vertrages mit der Menschheit. Eine majestätische Pflanze, die nicht nur aus dem Land wächst, sondern bekanntermaßen tief darin verwurzelt ist, wird zum Repräsentant der ganzen Natur: Es gibt extrem viel, was man mit der Schöpfung tun darf und extrem wenig, was man besser nicht tun sollte, weil es zum Tode führen wird.

Hier liegt eine üppige Symbolik, nicht zuletzt über die Rolle der Bäume in der Bibel als treue Repräsentanten der Schöpfung, ein Symbolik, die, soweit ich das sehen kann, von der eher schmucklos-nüchternen Theologie der Freikirchen noch nicht einmal ansatzweise entdeckt wurde.

Ich werde euch das Selberentdecken in der Bibel nicht nehmen, doch die folgen drei Zitate mögen ein paar Stubser sein, selbst aufzubrechen, vor lauter Bäumen wieder einen Wald zu finden.


Er ließ viele verschiedene Bäume wachsen. Sie sahen prachtvoll aus und trugen wohlschmeckende Früchte. Mitten im Garten stand der Baum des Lebens und der Baum, der Gut und Böse erkennen ließ.

1 Mosebuch 2,9

Die Weisheit ist ein Baum des Lebens allen, die sie ergreifen, und glücklich sind, die sie festhalten.

Sprüche 3,18

Es gibt einen Baum auf der ersten Seite der Bibel, im ersten Psalm, auf der ersten Seite des Neuen Testamentes und auf der letzten Seite der Bibel. Die Weisheit der Bibel wird als Baum des Lebens bezeichnet. Jede wichtige Figur der Bibel, jedes wichtige theologische Ereignis wird von einem Baum markiert. Ein Baum war das einzige, das Jesus je geschädigt hat. Ein Baum war das einzige, das ihn töten konnte.

Matthew Sleeth

Wir wissen, wie die Geschichte mit dem Apfel weiterging. (vielleicht war die „Frucht“ ja gar kein Apfel – auch wenn das lateinische malum zugleich „Apfel“ und „böse“ bedeutet – aber das spielt hier mal keine Rolle.) Fest steht: Nach dem Konsum der Frucht des einzigen giftigen Baumes auf dem ganzen Planeten war klar, dass die Menschheit gerne zielsicher ihr größtmögliches Unglück wählt. Fortan wurde es auf der Erde kompliziert. Alles ging drunter und drüber.

Viele, sehr viele Jahre später gibt Gott ein neues Gesetz, ebenfalls entsprechend komplizierter. Neues Gesetz, gleicher Zweck: Wer leben will, muss lieben, vor allem seinen Schöpfer. Nur so findet man wahre Freiheit und Wohlstand. Am Ende dieses Gesetzes, im 5. Mosebuch, macht Gott dieses Prinzip über mehrere Kapitel fast schon überdeutlich. Hier eine Zusammenfassung am Schluss:


„Pass auf! Ich habe dir heute Leben und Glück vorgelegt; Tod und Unglück, und ich gebiete dir heute, Jahwe, deinen Gott, zu lieben, seinen Weisungen zu folgen und dich an seine Anordnungen, Gebote und Bestimmungen zu halten! Dann wirst du leben … in dem Land, das du jetzt in Besitz nimmst.“

5. Mose 30,15-16

Man fühlt sich zwangsläufig an 1. Mose 2, 16-17 erinnert: Liebe, Gift vermeiden, Leben, Land. Da haben wir es wieder. Doch dann kommt der Hammer:

Gott ruft Himmel und Erde als Zeugen auf! Wieder wird die Schöpfung aktiv am Vertrag Gottes beteiligt, diesmal aber nicht als Akteur, sondern als Zeuge, als Wächter, als Attest, dass Gottes Worte wahr sind und nicht damit zu spaßen ist. Diesmal ist es auch nicht nur ein einziger Baum, so imposant dieser auch im Garten Eden gewesen sein mag. Nun handelt es sich um gleich zwei enorme, gewaltige Zeugen: Der ganze Himmel und die ganze Erde. Ich bezweifle, dass Israel sich seinerzeit der Größe dieser Zeugen bewusst war, doch Gott war es – er wusste auch, dass wir uns im 21. Jahrhundert der globalen Dimensionen dieser Zeugen ebenfalls sehr bewusst sein würden. Wer nun innehält und aufmerksam genug ist, beginnt eine leise Ahnung zu verspüren, wie es aussehen mag, wenn Himmel und Erde, Atmosphäre und Planet beginnen, als Zeugen gemeinsam gegen uns Menschen auszusagen. Denn der Himmel wölbt sich nicht nur über Israel, und die Erde ist größer als das Gelobte Land. Sie tun damit nur, wozu Gott, ihr Schöpfer, sie berufen hat, und sie mögen gehorsamere Zeugen sein als wir. Bleibt die Frage, was das Gesetz mit uns heute zu tun hat. Es wird schwerfallen, theologisch wegzudiskutieren, dass uns all das heute ja überhaupt nicht mehr gelte.

Denn alles, was Gott sagt, gilt noch. Himmel und Erde werden vergehen (interessanter Vergleich übrigens…) aber kein i-Punkt des Gesetzes wird weggenommen werden. Um zu verstehen, in welcher Weise „das Gesetz“ auch für uns noch seine Gültigkeit hat, müssen wir auf dieser Wanderung eine kleine Kletteretappe ins Neue Testament einplanen.

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Ein Kommentar

  1. […] Schon 2019 hatte ich gezeigt, dass Gott bei seinem Versprechen von Segen und Fluch die Schöpfung auffordert, als Zeugen für oder wider uns aufzutreten. Nun sieht es so aus, als spräche sie immer lauter gegen uns aus. Eine für uns äußerst peinliche, vor allem aber miserable Lage, denn wir werden den Kürzeren ziehen. Doch wir merken ja nichts. Wir sind so sehr mit Urlaub, Rückkehr aus der Pandemie und Konsum beschäftigt, dass wir an Ganzkörperbetäubung leiden. Weder erkennen betäubte Menschen den Tod, noch fürchten sie ihn, schreibt Walter Brueggemann. […]

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