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♬♫ „Du fooolgst mir MIIIIR…“ ♪♩

So sang mir der christliche Liedermacher heute morgen zärtlich ins Schmalz meiner Ohren, als ich unseren Hund im Wolkenbruch spazieren führte. Weil ich mich für diesen Spaziergang ohnehin komplett wasserdicht verpacken musste, entschied ich mich, auch die Ohren mit meinen mp3-Stöpseln zu verkorken. Ein Student hatte mir vor einiger Zeit viele Gigabytes schwedischer, christlicher Musik gegeben. Er meinte, ich müsse mehr darüber wissen, was in der nationalen frommen Musikscene so abginge, und lieferte mir einen breiten Querschnitt von frommen Bands, Chören und Sängern aller Coleur. Das war echt nett von ihm, und seitdem versuche ich, mich Song für Song durchzuhören. 

„Und wenn ich stooolpre, hääälst du MIIICH“
Ich wäre wirklich fast gestolpert, als ich das hörte (unser Hund kann nämlich beim Anblick eines wilden Pelztieres rapide zur springenden Zugmaschine mutieren). Zum Glück hielt ich Balance; ich weiß nicht, was sonst passiert wäre. Ob Jesus, dessen umtänzelnde Fürsorge in diesem Lied gerade so lieblich besungen wurde, meinen vermeintlichen Sturz wirklich aufgehalten hätte? 
„Du folgst mir, und wenn ich stolp’re, hältst du mich“, so ähnlich geht der schwedische Text. Mir fällt das erste Kapitel des Markusevangeliums ein: „Als Simon und sein Bruder Andreas die Netze ins Meer warfen, denn sie waren Fischer, sahen sie Jesus am Galiläischen Meer entlanggehen. Und Simon sprach zu Jesus: Folg mir nach, du sollst mir beim Fischen helfen!“ He, Jesus, ich will dein Herr sein. Where I lead you, you shall follow. Moment mal, war das wirklich so? 
Man könnte es fast meinen. Das aufgeklärte Individuum des aktuellen Milleniums ist sich der Gabe des freien Willens sehr bewusst und macht sehr gerne Gebrauch davon. Wir sind zwar keine Könige, aber wir bestimmen gerne wie solche. Da kommt uns ein wenig Gefolgschaft doch ganz gelegen. 
Es mag ja ungeheuer verlockend erscheinen, sich von einem beschürzten Jesus bedienen zu lassen. Der stets zur Stelle ist, wenn ich klatsche, der selbstverständlich höflich und diskret vor der Türe wartet, wenn ich mal meine eigenen Wege gehen will, der aber danach natürlich unmittelbar und mit gnädigem Lächeln auf den Lippen den Dreck wegputzt. Jesus, mein Kumpel, immer zur Stelle, immer gut drauf, immer für mich da, fast wie im Bilde oben.
Wirklich, Jesus hat den Jüngern die Füße geputzt. Und erklärt, dass er noch viel mehr reinigen muss als nur das. Allerdings war es so, dass nicht Jesus den Jüngern in diesen Raum gefolgt ist. Es war keine Idee der Jünger, hier doch mal eine Party zu feiern und Jesus auch einzuladen. Ganz im Gegenteil. Die Jünger folgten ihrem Herrn. Wer Jesus will, muss IHM folgen. Wer seine eigenen Wege geht, ist jesuslos. Ganz einfach eigentlich. Jesus sucht Menschen, natürlich, wie der Hirte verlorene Schafe. Doch dann kommt die Aufforderung: „Folge mir nach!“ „Und Levi stand auf und folgte ihm nach.“ (Mk 2:14). Auf den Ruf folgt die gehorsame Tat des Gerufenen. 
Wenn ich an das 21. Jahrhundert denke, dann brauchen wir keinen Jesuskumpel, der’s mit seiner Superpower schon richten wird. Keinen Versicherungsjesus. Keinen Europaparkjesus. Auch keinen iJesus. Wir brauchen exakt den Jesus, der er schon immer war. Der Mann, der in kein Schema passt. Der ruft, der vorangeht, der herausfordert. An dem man sich reibt und stößt. Der Unbequeme. Der kein Blatt vor den Mund nimmt. Von dem unerwartete Überraschungen kommen, die Leben spenden. Der krankes heilt und zerbrochenes ganz macht. Der liebt, ohne ein Lover zu sein. Der bereit ist zu leiden und wenn’s sein muss, zu sterben. Der einfach anders ist. 
Und wir brauchen Jünger, die genau diesen Jesus repräsentieren. Jünger, die in kein Schema passen. 
So spaziere ich gedankenverloren durch den nicht endenden Guss. Neben mir läuft meine nasse Hündin. Sie freut sich immer, mich zu sehen, will am liebsten immer bei mir sein. Geht im schlimmsten Sauwetter schwanzwedelnd mit mir raus. Sie liebt es, Neues zu lernen. Sie folgt mir, wohin ich gehe. Es sei denn, ein nahegelegener Elch lässt ihre Jagdtriebe mit ihr durchgehen. Dann haut sie ab, egal, wie laut ich ihr das Stehenbleiben befehle. Doch Stunden später kommt sie dann wieder zurück, schuldbewusst und mit angelegten Ohren. Sie weiß genau, dass Herrchen keinen Jagdbefehl gegeben hatte und ihr Verhalten deshalb ungehormsam war – Jagdtrieb hin oder her. Natürlich lobe ich sie ausgiebig für’s wiederkommen. Mit Fleiß will sie dann zeigen, wie gehorsam sie eigentlich sein kann.  So sollte Jüngerschaft eigentlich sein, denke ich. Und hoffe, auf meiner nächsten Wolkenbruchrunde auch ein paar Lieder darüber hören zu können. 
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