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Orientierung

Im Hintergrund läuft gerade Filmmusik: Pirates of the Caribbean. Meine Tochter und ich haben uns im Sommer mal wieder sämtliche Folgen reingezogen und wir sind immer noch im Jack-Sparrow-Rausch. Rum und Romantik, Piraten und Politiker, Sturm und Flaute. Fast wie im echten Leben.

Fast. In echt hat nämlich niemand so einen Sparrow-Kompass, der nicht wie 08-15-Kompasse langweilig nach Norden zeigt, sondern wundersam in Richtung des allergrößten Wunsches deutet. Was soll’s. So eine magische Nadel wär ja ganz nett, doch ich persönlich brauch sie nicht. Mein größter Wunsch ist mir auch ohne Zauberkompass offenbar.

Seit über 30 Jahren bin ich verliebt in den Auferstandenen und seine Auferstehung – nicht als literarische Idee, nicht als philosophisches Konzept und nicht als theologische Abhandlung, nein, als lebende Tatsache und konkrete Zukunftshoffnung. Ostern fasziniert mich. Dem Sieger über den Tod widmet sich meine ganze Aufmerksamkeit. Die angekündigten zwei Auferstehungen sämtlicher Verstorbenen fesseln mich so sehr wie sie mich inspirieren. Zu IHM will ich! Und zwar mit meinem eigenen, brandneuen Auferstehungskörper. Das ist mein größter Wunsch.

Mein zweitgrößter Wunsch ist es, auf jener kompasslosen Reise möglichst viel Reklame für mein Ziel zu machen. Die Latrinenparolen über einen faden Kitschkirchenjesus machen’s nötig, die Welt mit dem wahren Auferstandenen zu überraschen: Dem Schrecken für Machthaber, dem Herrscher der Herrscher, dem Obersten General und Himmlischen Heerführer – und doch gleichzeitig dem Anwalt der Schwachen, dem unbestechlichen Vertreter der Unterdrückten, dem guten Hirten für dich und mich, die wir uns regelmäßig als dämliche Schafe erleben. Ich möchte Millionen Menschen des Postchristentums mit dem Mann erreichen, der einfach in kein Schema passt.

Hielte ich heute einen Sparrow-Kompass in der Hand, würde er wie wild im Kreise wirbeln. Nicht etwa, weil ich schon angekommen wäre. Auch nicht, weil sich mein Wunsch nach 30 Jahren geändert hätte, oh nein! Er kreist, weil mein wahrer Guide gerade stehen bleibt. Ich bin nämlich alles andere als führerlos, ich habe etwas viel besseres als einen Filmkompass: Die Heilige Geistin* persönlich ist bis auf weiteres meine angenehme Reiseleiterin. Mir scheint, sie hat gerade Signal erhalten, einen Moment zu warten. Jetzt, wo ein paar Nebelböen aufziehen. Der Stillstand macht mich unsicher.

Unsicherheit ist an sich gar nichts Neues für mich. Hab‘ ich mich doch meistens als befangenes Schaf erlebt, das sich dankbar und treu(-doof) der Leitung des guten Hirten bzw. seiner coolen Stellvertreterin anschloss. Hab dabei viel erlebt und gelernt, sehr viel sogar, bin reifer und sicherer geworden. Hätte zum Beispiel vorher nie gedacht, dass Schafe unter Wölfen überleben können. Es geht! Aber nur an Seite meines erfahrenen Guides. Ihr hättet sie mal erleben sollen! Keira Knightley ist eine Kröte dagegen.

Doch nun stehen wir da. Wir stehen jenseits der Rudel, die immer noch witternd die Zähne fletschen. Flaute? Ich kann mich kaum erinnern, dass wir je stehenblieben. Mein Blick, rotierend wie die Kompassnadel, bleibt schließlich an den geduldigen Augen meines Guides hängen, die wartend auf mir ruhen.

– Willst Du weitergehen?
– Logisch! Keine Frage!
– Wirklich?
 Hm. Die Frage scheint ernster als erwartet.
– Ja, ich will!
– Vertraust du mir?

Warum fragt Gott immer dreimal? Was erwartet mich denn? Was kommt? Ich blicke zurück und sehe den Weg, der hinter mir liegt. Ich blicke nach vorn und erspähe unter anderem eine größere Nebelbank. Wohl deswegen kommen solche Fragen. War alles bisherige etwa nur Einleitung, Vorbereitung? Waren die bisherigen Wölfe nur so etwas wie Steifftiere? Warten hinter Dunst und Schwaden nun die echten Ungeheuer? Werde ich jede Unze Vertrauen, das bisher gezüchtet wurde, dringend nötig haben?

Äußerst interessante Fragen, nicht wahr? Genau dort befinde ich mich jetzt. Fortsetzung folgt. In welche Richtung wir dann irgendwann losstapfen werden, weiß ich noch nicht.

Während ich nachdenke, wird aber meine dritte Antwort sonnenklar: Ja, ich vertraue dir und möchte auf dem Rest der Reise dein Agent, Vertreter und Verkünder sein. Und sollte auch nur ein halbes Prozent Europas mein Proklamieren mitbekommen, dann wäre immer noch unter Millionen gesät. Ja, ich will! Es wird allerhöchste Zeit, dass der Auferstandene auch im nachchristlichen Europa als der bekannt wird, der er wirklich ist: Als faszinierender Herr! Kein birkenbestockter Schluffi.

Schließlich werden über ihn interessante Dinge gesagt, die man nur selten hört. Zum Beispiel, dass er ein „harter Mann“ sei. Er ernte, wo er nie gesät habe. Er sammle, wo er nie ausgestreut habe (alles in Matt 25,24). Jesus lässt die Arbeit von schlauen Verwaltern erledigen.

Und überhaupt, wenn Jesus auftaucht, dann holt er sich nur sein Eigentum zurück, das ihm zuvor geraubt wurde. Alles in allem kann man also irgendwie schon sagen:

He’s a pirate. Aber a very good one. Er ist es wert, viel bekannter zu werden als Jack Sparrow. Denn er ist unvergleichbar besser. Und: Er ist echt.

Bleibt abzuwarten, welchen Kurs Captain Christus nach dieser Orientierungspause dann einschlagen wird. Ich werde weiter folgen. 

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Ruach, hebräisch für Geist, meist in Verbindung mit Worten wie Ruach Elohim, (Geist Gottes), Ruach Adonai (Geist des Herrn) oder sogar Ruach Hakkodesh (Heiliger Geist) ist im Hebräischen ein weibliches Nomen. Anders als im Deutschen, wo Artikel zufällig und unlogisch zugeordnet sind, macht der Artikel im Hebräischen eine Aussage über das Wesen des Objekts. Der Geist Gottes wurde deshalb in jüdischer Tradition eindeutig als weiblich angesehen. Christen betrachteten den Geist Gottes als weiblichen Teil der Dreieinigkeit, was insbesondere im Hinblick auf 1Mos 1,27 eine Menge Sinn ergibt.

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