Nein, ich bin kein Freund der Fastenzeit, wie wir sie kennen. Noch nie gewesen, ich geb’s ehrlich zu. Papst Gregor der Große mag sich im 6. Jahrhundert ja wirklich was dabei gedacht haben, als er diese 40-tägige Fastenperiode einführte und ich will’s nicht schlechtreden, doch für mich ist noch nie was Nützliches dabei rumgekommen. Meistens fühlte es sich kirchenkünstlich aufgesetzt an.
Auf der anderen Seite bin ich überzeugter Verfechter geistlicher Übungen (und fasten ist nichts anderes als eine geistliche Übung). Geistliche Übungen sind ein Fitnesstudio für die Seele: Man trainiert und schwitzt, um stärker und schöner zu werden. Wenn die Seele auf Kraft und Schönheit trainiert wird, wird man automatisch wieder ein bisschen mehr wie Gottes Spiegelbild, denn Gott ist der stärkste und schönste von allem. Und in jedem Studio gibt es Geräte und Übungen, die einem mehr liegen als andere.
Meine geistliche Trainingmaschine, die ich gerade wieder aufsuche, ist das Auswendiglernen. Nicht, dass ihr meint, ich könnte hier die 150kg-Gewichte stemmen. Weit gefehlt. Beim Auswendiglernen leide ich an permanentem Muskelschwund. Erst vor zwei Jahren hatten wir uns der Bergpredigt angenommen und schon ist wieder alles verdunstet. Trainingslager Bergpredigt II. also.
Und, Mann, mit jedem Vers merke ich, das sind genau jene seelischen Muskelfasern, die bei mir am allerdringendsten Training brauchen. Die Bergpredigt bringt jedes Mal neue farbenfrohe himmlische Perspektiven in den irdisch-fleischlichen Einheitsbrei. Die Bergpredigt räumt brutal auf mit Frömmeleien und Religionsgedöns. Stattdessen gibt’s hier echte Herz-Seelen-Massage; und wer schon mal eine professionelle Massage erlebt hat, weiß, wie schmerzhaft-schön befreiend das ist. Herr, Du aber sagst mir: „Mehr, davon, auch wenn’s weh tut.“ Amen dazu.