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Fromme Gedanken zum Brexit

Sie haben entschieden, die Briten. Obwohl ich immer eher EU-skeptisch war, bin ich nicht sicher, ob gestern die richtige Entscheidung getroffen wurde. Ich kenne viele Argumente gegen die EU, und viele sind wahr. Der gemeine EU-Bürger ist sich in der Regel gar nicht bewusst, was sich auf EU-Ebene hinter Brüsseler Vorhängen alles so zusammenbraut.

Doch Politik ist wie Ethik. Meistens kann man nämlich nur zwischen schlecht und schlechter wählen. Wir leben in einer kranken, faulen Welt. Nur westlicher Wohlstand bildet sich ein, man könne grundsätzlich zwischen „gut“ und „schlecht“ wählen. Diese westliche Naivität wird immer dann besonders sichtbar, wenn sie sich in nichtwestliche Politik einmischt. In den Irak zum Beispiel vor vielen Jahren. Saddam Hussein wurde als „schlecht“ angesehen und gemäß westlicher Wohlstandslogik lautete die propagierte Formel Saddam = schlecht = muss weg  => alles wird gut. Doch dann zeigte sich: Saddam war schlecht => jetzt ist er weg => es wurde noch schlechter. Und das ist nur eins von vielen, vielen Beispielen. Sie alle bringen unsere spießige Wohlstandslogik zum Entgleisen.

Jene Wohlstandslogik wurzelt vor allem im westlichen Individualismus, eine Erfindung der Aufklärung, auf die der Westen so stolz ist. Individualismus ist jene Religion, die das Ich vergöttert und anbetet. Zu den Doktrinen jenes Glaubens gehört die Überzeugung, dass das eigene Ich gut und erst durch die Begegnung mit dem Anderen verdorben wird. Folgerichtig ist nur das unabhängige Individuum erlöst und frei, es tut und lässt, was es selbst für richtig hält, und es glänzt durch ein „gesundes“ Selbstbild und Selbstvertrauen.

Gemeinschaft hingegen bedeutet Opfer, und Opfer müssen in unserer Zeit vermieden werden. Es gibt nur einen Gott, dem man opfert, und der ist man selbst. Ein Wellness-Wochenende zum Beispiel. Das darf man sich durchaus schon mal ordentlich was kosten lassen.

Mir scheint, dass jene, die ihr Kreuzchen auf EXIT EU gesetzt haben, innerlich ganz ähnlich argumentierten. EU = schlecht = muss weg => alles wird gut. Und: Großbritannien wird erst dann wieder richtig frei sein, wenn es tun und lassen kann, was es will.

Ob dies wirklich die richtige Entscheidung war? Ja, die EU hat viele Mankos, hat viel versäumt, hat zu viel vorgeschrieben. Doch was, wenn der Nachfolger von „schlecht“ nicht „gut“, sondern „noch schlechter“ ist? Ja, die EU hat viel gekostet, erwartet, dass man sich unterordnet und verlangt, dass man Flüchtlinge aufnimmt. Ja, es mag sich besser anfühlen, wenn ein Land ganz alleine bestimmen kann. Doch was, wenn Individualismus nur eine Vorstufe der Einsamkeit ist und Einsamkeit eine Vorstufe der Hölle? Und was erst, wenn Opfer eine Vorstufe der Gemeinschaft ist und Gemeinschaft eine Vorstufe des Himmels?

Die christliche Antwort auf solche Themen ist wie immer herausfordernd. Erstens, solange der Fürst der Welt hier das Kommando gibt wird hier gar nix gut werden. Vergessen wir’s einfach. Die Welt ist und bleibt ein Scheißhaus, EU hin oder her. Wie alle „Reiche“ wird auch sie eines Tages vom Stein getroffen werden, der vom Himmel fällt (Dan 2:34f). Es ist der Eckstein des Himmelreiches, das sich im Verborgenen schon heute gestaltet und himmlische Politik auf einer faulen Welt macht. Wer den Pass zu diesem Reich besitzt, braucht sich keine Gedanken mehr über EU-Mitgliedschaft oder Nicht-Mitgliedschaft zu machen, denn wir stehen nicht mehr unter weltlicher Herrschaft. Wir folgen dem Herrn der Herren und dem König der Könige. His Majesty Himself.

Bis Seine Majestät unser Herr wiederkommt und hier endgültig für Ordnung sorgt sollten wir alle irdische Politik mit himmlisch-humorvoller Gelassenheit gestalten und verfolgen. Gerne mit viel Gebet. Auch wenn man oft genug mit den Kopf mit Sorgenfalten schütteln muss. Doch das kann man auch mit erwartungsvollem Schmunzeln tun.

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