Düster fühlt es sich an, trotz des nahenden Frühlings. Mit wem man auch spricht, es hängt immer dieses ungewisse Etwas im Raum, eine latente Unruhe, als hätten wir soeben ein schlafendes Monster entdeckt, das vielleicht gerade aufwacht. Gestern noch waren wir fest davon überzeugt, es gäbe gar keine Monster, denn so etwas kam schließlich nur in alten Geschichten vor, nicht in der modernen Welt. Ja, gestern noch gehörte das Tragen von Masken, Reiseeinschränkungen und ähnliche Mühen für viele zu den größtmöglich denkbaren Dramen des Alltags. Obwohl, nur mal so unter uns gesagt, es eigentlich ja schon lange hätte klar sein können, das da was im Anzug war, das vermutlich um einen vierstelligen Faktor schlimmer sein würde als die jüngste Pandemie. Aber dazu hätte man sich ja an die eigene Nase fassen müssen, und die war, sofern man sich nicht gerade in Schweden aufhielt, schließlich permanent hinter einer Maske versteckt. Außerdem ging dieses ganze Klimadingsbums sowieso alles viel zu langsam, da passierte ja nie wirklich was, wie sollte man das je kapieren können? Und überhaupt, warme Sommer sind doch eigentlich gar nicht so übel. Und meine Autos liebe ich sowieso. Urlaube erst recht. Von Fleisch und Wurst mal ganz zu schweigen.
Und dann sowas. Die Klimakatastrophe scheint zwar immer noch ziemlich weit weg, doch wie sich herausstellt, haben wir mit unserem schlampigen Gaskonsum nicht nur das Klima gereizt, sondern auch noch ein schlafendes Monster gemästet, das jetzt erwacht. Lange sah es wie ein niedliches Kremlin aus, wie irgendein brav beschlipster Beamte, doch nun rüttelt und schüttelt es sich und wir sehen sofort ein: Hier handelt es sich um einen echten Kaltblütler, einen Killer.
Waren wir vielleicht diejenigen, die viel zu lange geschlafen haben? Und nicht das Monster?
Wie oft haben wir Christen um „Erweckung“ beten hören? Wie oft haben wir Prophezeiungen gehört, dass „Erweckung kommen wird“? Ich für meinen Teil kann nur sagen: Sehr oft. Zu oft. Denn ich füllte das Wort „Erweckung“ mit charismatisch anmutenden Abendveranstaltungen, in denen Tausende vor einem mitreißendem Evangelisten auf die Knie gehen, und ich wusste, dass das hier nicht mehr so bald passieren würde. Was ich aber nicht wusste und womit ich nicht gerechnet hatte war, dass Gott zur Abwechslung einen kleinen Teufel und keinen Evangelisten als Wecker schrillen lässt, der uns aus bequemem Schlummer reißt.
Einmal aufgewacht, kann jeder entscheiden, ob man lieber die Decke über die Ohren zieht oder zusieht, richtig wach zu werden, um nach einem guten Frühstück den Tag mit Verstand und Tatendrang in Angriff zu nehmen. Eine ordentliche Ladung kaltes Wasser über den Kopf hilft enorm: Die kalte Dusche der Buße – nichts für Weicheier, in der Tat. Es braucht Mut, sich die Sünde der Trägheit aus den Augen, aus dem Sinn zu spülen.
Wie wäre es, kann man sich fragen, wenn nicht nur Einzelne, sondern ganz viele von uns, Tausende vielleicht, sich dazu hinreißen ließen, auf die Knie zu gehen und zu beten wie Daniel, dem Endzeitpropheten des Alten Testaments, der nicht nur für sich, sondern im Plural für sein ganzes Volk um Vergebung bat? Weil Gott ein Gott der Barmherzigkeit, der Gnade, der Liebe und des Wohlwollens ist, würde er den Lauf der Geschichte sicher wieder einmal umbiegen, und allen Monstern Einhalt gebieten. Stellt euch vor, heute wäre mehr als nur „Tag 1 ohne Schokolade“. Sondern eher sowas wie: „Tag 1: Gashahn zudrehen, damit uns der Rest nicht auch noch um die Ohren fliegt.“
Das wär ja mal ’n Aschermittwoch.
Unser Gott, höre doch jetzt auf das Flehen deines Dieners und lass dein Gesicht wieder leuchten über deinem verwüsteten Heiligtum – um deinetwillen, Herr!
Daniel 9, 17-19
Mein Gott, neige doch dein Ohr und höre!
Öffne deine Augen und schau dir die Verwüstung an und die Stadt, die nach deinem Namen genannt ist!
Nicht im Vertrauen auf unsere Gerechtigkeit bringen wir unser Flehen vor dich, sondern im Vertrauen auf dein großes Erbarmen.
Herr, höre!
Herr, vergib!
Herr, zögere nicht und greif ein!
Lass uns nicht länger warten!
Tu es um deinetwillen, mein Gott, denn deine Stadt und dein Volk sind doch nach deinem Namen genannt.