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Brückenpfeiler Nr. 1: Verankert in der Bibel

Zum ersten Teil der Serie geht’s hier. 

Brückenpfeiler Nr. 1: Verankert in der Bibel 

Eines der tiefgründigsten und eindeutigsten Gebote Gottes findet sich im fünften Buch Mose:

  • Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein.

    Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.

    Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen
    und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.

    Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein,

    und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore. (5Mos 6,4-9)

Diese Worte wurden vor tausenden von Jahren gegeben, doch ihre Botschaft ist immer noch sonnenklar: Tu, was du kannst, um nie von Gottes Geboten abgelenkt zu werden. Simpel, oder? Bei uns im Westen finden wir uns hingegen in einer Welt, die sich immer mehr von Gottes Wort ablenkt. Mal ganz ehrlich: Wieviele Familien kennst du, die am Essenstisch Bibeltexte genauso hingegeben disktutieren wie die neuesten Sportnachrichten? Wieviele „normale“ Leute hast du schon getroffen, die biblische Erinnerungen in ihren Alltag einbauen wie 5Mose 6,9 es mit den „Geboten auf dem Türrahmen“ vorschlägt? Ich nehme mal an, es waren nicht allzuviele. Ehrlich gesagt fühlt sich dieser Text heutzutage etwas idealistisch an, wenn nicht sogar merkwürdig. Was können wir also tun?

Eine der größten heutigen Herausforderungen ist die uns allzeit umgebende, nachbiblische Umwelt. Sie beeinflusst alles, auch unsere Gemeinden, selbst Missionare. Obwohl wir als Christen eigentlich biblisch sein wollen, legen wir uns nicht wirklich darauf fest, jedenfalls nicht in der Weise, die 5Mos 6 vorschlägt. Niemand will sich darauf festlegen, weil wir, ehrlich gesagt, die Bibel ganz tief in uns eben doch als recht lebensfremd empfinden. Außerdem gibt es so viele andere Dinge, die ständig um unsere Aufmerksamkeit buhlen. Ich wage zu behaupten, dass viele christliche Bücher oder fromme Konferenzen mehr auf Prinzipien der Geschäftswelt als auf biblisch fundierter Theologie beruhen. Und weil sich die Bibel lebensfremd anfühlt, wollen wir sie auch nicht wirklich lesen. Wir wollen biblisch sein, aber die Bibel nicht wirklich lesen. Es ist ein Teufelskreis. Wie kommen wir da heraus?

Unser Gründungsteam hat viel über diese Frage nachgedacht. Wir haben beobachtet, diskutiert, gebetet, mit Leuten in und außerhalb der Gemeinde gesprochen. Dadurch sind wir zu der Einsicht gekommen, dass sich christlicher Glaube deswegen als unangenehm und leicht peinlich empfunden wird, weil er eine halbe Ewigkeit so institutionalisiert war. Als Christ zu leben, war mehr eine Show oder Aufführung als eine Angelegenheit des Herzens. Der Schritt zur Insitution geschah schon vor sehr langer Zeit.

Als das Christentum die offizielle Religion im römischen Reich wurde, entwickelte es sich mehr in ein weltliches Unternehmen als ein Reich in dieser Welt aber nicht von dieser Welt (Joh 17,14-18). Christ zu sein wurde durch die Mitgliedschaft in einer Organisation definiert, und als Christ zu erscheinen war wichtiger als einer zu sein. Erfreulicherweise gab es im Laufe der Kirchengeschichte viele Ausnahmen zu dieser Regel, aber eine Sache ist heute immer noch unverändert: Es ist immer noch leichter, sich als Chrisr zu gebaren als wirklich einer zu sein. Strukturen aufzubauen und Gemeinden zu gründen, die wie Kirche aussehen ist immer noch deutlich leichter, als der Aufbau echter Jesus-reflektierender Gemeinschaften.

Aus diesem Grunde werden Worte wie Kirche und Gemeinde heute vielfach mit Unaufrichtigkeit oder leerem Gerede verbunden oder gar mit Heuchlerei assoziiert. Wenn wir als Pioniere solche Muster durchbrechen wollen, müssen wir zuallererst die Worte „Kirche“ und „Gemeinde“ neu kalibrieren. Wir müssen zur ursprünglichen Idee von Gemeinde zurückkehren, und diese war nicht Institution, sondern Nachfolge. Eine Neudefinierung von Gemeinde ist überfällig, und die einzige Kalibrierreferenz, die uns zur Verfügung steht, ist Jesus selbst. Dazu müssen wir auf den Pausenknopf all unserer gemeindlichen Geschäftigkeit drücken und uns zurück in die Gewohnheit des betenden Bibellesens vertiefen, um dort unseren Meister selbst zu treffen. Es gibt keine Alternative. In der Heiligen Schrift verwurzelt zu sein ist ein wahres Gütesiegel einer reifen Gemeinde.

Diese Aufgabe ist jedoch größer, als sie zunächst erscheint. Sich neu in die Bibel einzustielen kann auf unzählig unterschiedliche Weisen geschehen, es hängt ganz von unserem Kontext ab. In unserem Fall in Göteborg finden wir uns in einer interessanten Mischung aus humanistischen, nachchristlichen Nordeuropäern und Ausländern aus den unterschidlichsten Herkunftsländern und Religionen. Eine Gemeinschaft aus Jüngern in diesem Kontext hieße in der Tat die Schar der Gläubigen in Offenbarung 7,9 widerzuspiegeln, wo Menschen aus allen Ländern, Stämmen, Völkern und Sprachen anbetend vor dem Thron versammelt sind. Um eine solche Gemeinschaft aufzubauen, brauchen wir eine universale Botschaft, die sowohl für Juden und Griechen relevant ist oder in moderner Sprache: eine relevante Botschaft sowohl für religiöse Immigranten als auch säkulare Europäer.

Wir schlagen eine eindeutige Botschaft der Hoffnung an eine zerbrochene, zersplitterte Welt vor. Unsere Hoffnung ist in der Auferstehung Jesu gegründet, damit ist sie genauso konkret, fühlbar und begreifbar wie der auferstandene Körper unseres Meisters zu seinen ursprünglichen Jüngern war. Unsere Hoffnung auf einen Neustart ist relevant für jeden und steht in tiefem Kontrast zu vielen Verurteilungen, die so mancher Namenschrist durch die Kirche erlebt hat. Diese Hoffnung hebt uns heraus aus allen anderen Religionen auf dem pluralistischem Markt. Die neue Schöpfung, die mit Christus ihren Anfang nahm (Kol 1,18), wächst schon heute in uns (2Kor 5,17) und wird schließlich zur neuen Erde und dem neuen Himmel führen (Offb 21,1), versetzt uns in erwartungsvolle Erregung und lässt uns Fragen stellen wie: Wie können wir heute schon das Himmelreich verkörpern, das erst noch kommen wird? Was heißt „Herrschaft Jesu“ im 21. Jahrhundert? Wie kann eine postmoderne Gemeinschaft Buße leben? Wie können wir eine wohltuende Kontrastkultur leben, die sich heilend von einer stolzen und selbstsüchtigen Welt unterscheidet? Es sind Fragen wie diese, die uns immer wieder in die Bibel zurücktreiben, um den Zement für unsere Theologie und unsere Methoden anzurühren. In solchen Angelegenheiten verlassen wir uns mehr auf biblische Weisheit und Inspiration als auf Geschäftsprinzipien und Managementprogrammen.

Unser Streben nach Weisheit führte uns zur Bergpredigt. Dieser Exkurs Jesu ist nämlich das Manifest des Himmelreiches auf dieser Welt. Es geht um das Leben in dieser Welt, doch nicht von dieser Welt. Wir kommen nicht nur immer wieder zurück zur Bergpredigt in unseren Treffen, wir ermuntern sogar unsere Gemeinschaft die Bergpredigt auswendig zu lernen. Nicht nur einzelne Aussagen sondern alle 111 Verse. Wir betonen das Auswendiglernen größerer Abschnitte aus mehreren Gründen. Einer davon ist der regelmäßige Umgang mit Muslimen in unserem Stadtteil. Viele von ihnen mussten den kompletten Koran auswendig lernen, auf arabisch wohlbemerkt, obwohl das gar nicht ihre Muttersprache ist. Es versteht sich von selbst, dass es solche Menschen reichlich amüsiert, wenn Christen behaupten, „die Wahrheit“ zu haben und nicht bereit sind, nur ein einziges Kapitel aus ihrem heiligen Buch auswendig zu lernen. Wenn wir nicht völlig blass und schwächlich auftreten wollen, dürfen wir ruhig unsere geistlichen Muskeln etwas mehr trainieren.

Der Respekt der Muslime ist aber nicht unsere Hauptmotivation. Wir sollten niemals auswendig lernen, um irgendjemand anderes mit unserem Wissen zu beeindrucken. Wenn überhaupt jemand beeindruckt werden soll, dann nichts anderes als unser eigenes Herz, wo die Weisheit der Bibel tiefe Eindrücke hinterlassen wird. Unsere Ambition ist deswegen weniger die Information des Kopfes. Es geht um die Wirkung auf das Herz. Deswegen empfehlen wir ein kontemplatives Auswendiglernen. Die Bergpredigt auswenig lernen mag Monate dauern, vielleicht sogar ein Jahr. Wem dies immer noch zu sehr wie eine „Leistung“ vorkommt, weil man vielleicht früher so geprägt wurde, dem empfehlen wir das Auswendiglernen in einer anderen Sprache. Dabei werden nicht nur Sprachkenntnisse aufgefrischt, das andere Vokabular und andere grammatische Strukturen werden ungeahnte Offenbarungen hervorbringen und einen ganz neuen Zugang zum Wort Gottes ermöglichen.

Im Grunde ist unsere Hauptmotivation zum Auswendiglernen die tägliche Meditation über Gottes heiliger Weisheit. Das Nachdenken und Überlegen, das Einüben von Versen wie zum Beispiel die Seligpreisungen in schweren Zeiten wird uns helfen, konzentriert zu bleiben, nicht aufzugeben, das Himmelreich zu leben. Unsere Entscheidungen und Reaktionen werden beeinflusst werden, und andere Menschen werden genau dies wahrnehmen. Und wenn andere Menschen neugierig werden, weil wir anders sind, dürfen wir ein fröhliches Richtfest feiern, denn der erste Brückenpfeiler wurde erfolgreich aufgerichtet.

Fortsetzung folgt

© Marcus Fritsch. Aus Steigerwald, Daniel und Crull, Kelly (Hg.). Grow where you’re planted. Collected Stories of the Hallmarks of the Maturing Church. Portland: Christian Associates Press, 2013.

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