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Kleine Filmkritik: Maria Magdalena

[ A C H T U N G   S P O I L E R A L A R M ! ]

Man kann sich leicht vorstellen, warum dieser Film wahrscheinlich nur von wenigen gemocht werden wird: Den einen ist er zu fromm und den anderen nicht fromm genug. Lion-Regisseur Garth Davis hat sich wahrscheinlich bewusst auf Glatteis begeben. Diesen Mut hat nicht jeder. Schnulzen, Monster, Superhelden versprechen heutzutage größeren Erfolg. Stattdessen nimmt Davis sich der unglaublichen Aufgabe an, Maria Magdalenas Hurenstempel fortzuwaschen, den ihr Papst Gregor „der Große“ im sechsten Jahrhundert auf den Ruf drückte und der sich seither äußerst hartnäcknig gehalten hat.

Bei der Onlinebestellung der Kinokarten zeigte sich, dass in allen Vorstellungen der nächsten Tage 60-90% aller vorhandenen Plätze noch verfügbar waren – Religion ist eben ein wachsendes Nicht-Thema in säkularen Gesellschaften. Doch auch religiös Interessierte, Evangelikale zum Beispiel, werden bestimmt kopfschüttelnd das Kino verlassen. Besonders bibelfeste werden wissend die Hände hochschnipsen lassen: „Jesus hat aber nicht getauft!“ oder „‚Dein Wille geschehe‘ fehlt im Vater unser!“. Jesus spricht zwar an anderer Stelle recht unmissverständlich über Gottesgehorsam vs Menschengehorsam, doch es bleibt zu fürchten, auch diese Stelle wird bei Traditionellen nicht gerade stehene Ovationen ernten.

Jesus ist überhaupt anders. Im Gegensatz zu (fast) allen Jesusdarstellungen der Kirchengeschichte, die seine Göttlichkeit überbetonen, mag dieser Film vielleicht etwas zu viel Gewicht auf seine Menschlichkeit legen. Das ist ungewohnt und wahrscheinlich auch nicht unbedingt besser, aber dennoch eine gewisse Kompensation der Fehler der Vergangenheit. Jesus ist Mensch, nahbar, echt, verstehbar, kein Heiligenschein hält ihn wie Grenzstacheldraht auf himmlischem Abstand. Er wurde wirklich einer von uns. Nicht nur theologisch.

Unsere Synapsen verknüpfen Maria Magdalena und Jesus und seine Menschlichkeit schnell mit Erotik, Gregor sei Dank. Und hier glänzt der Film wirklich: Kein Funke Brunst und Gelüste, kein Kuss, kein Flirten, keine unanständige Berührung. Eine Liebesgeschichte, gewiss, aber eine von der Art, mit der sich viele christliche Frauen identifizieren können; und wenn nicht, dann ist man Jesus vielleicht noch gar nie wirklich über den Weg gelaufen.

Männer hingegen bezeichnen ihre Verbundenheit mit Jesus selten als „Liebesbeziehung“, sie haben gerne maskulinere Gründe, warum sie ihm nachlaufen. So auch die Jünger im Film. Nicht gerade theologische Blitzmerker, aber eben auch völlig menschlich, nachvollziehbar, sympathisch. Und historisch völlig korrekt, auch wenn es nie gelingen wird, bei den Jüngern bis zwölf zählen zu können. Es ist wohl auch der erste und bisher einzige Film, wo Judas ein
symathischer, wenn auch etwas naiver Zeitgenosse ist, und am Ende hat
man fast Mitleid mit ihm. Obwohl das sein Handeln keinesfalls besser macht, zeigt es, dass auch der größte Feind geliebt werden kann.

Ist es biblisch, dass Maria am Abend vor der Kreuzigung neben Jesus saß? Wen das stören sollte, den sollte auch stören, dass bei den Speisungen der Tausenden nur die Männer gezählt wurden und wir gar nicht wissen, wo Frauen sonst überall so auftauchten und dabei waren. Das Neue Testament gibt damaliger Kultur entsprechend nur Männernamen und keine Tischkärtchen mit Sitzordungen. Frauen sind ein großes Thema des Films, das Script wurde von Frauen geschrieben. Dass Maria im Film nun also doch da sitzt, ist also gar nicht so unbiblisch, nur untraditionell. Wer die Bibel genau liest, wird hingegen merken, wie viel Aufmerksamkeit Jesus den Frauen schenkt, dass Jesus ein mutiger Revolutionär war, der sich nicht um politische Korrektheit scherte.

Mir persönlich hat der Film ein bis zwei Ticks zu wenig Spiritualität und Auferstehung, alles ist mir eine Spur zu menschlich, zu irdisch, doch die vorhandene Spiritualität ist bei genauem Hinsehen nicht unbiblisch, nur anders als gewohnt biblisch, vor allem ist sie aber sehr postmodern erzählt. Damit mögen klassische Christen vielleicht Probleme haben, der Film ist keine Predigt. Er ist ein teures Kunstwerk. Und wer Kunst mag und gerne interpretiert, wird viel zu entdecken finden.

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