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Mein eigenes Gleichnis

(Grüne Hoffnung III)

Und so stand ich da mit meinem dummen Gesicht. Aus unserer grünen Insel war eine braune, weiche, Schlammwüste geworden. Fette Pfützen überall, Fast alles Gras, alle Bäume weg. Durchkommen kaum möglich und sollte man es doch versucht haben, so klebte kiloweise Driss und Dreck unter den Sohlen. Machen könne ich erstmal rein gar nichts, so erklärte man mir. Ich müsse mindestens ein halbes Jahr warten, besser ein ganzes, bis der lose Boden sich wieder gesetzt habe. Mist.

Wie Noah wartete ich auf das Abtrocknen der Flut. Nach zwei Monaten war es soweit: die Pfützen schienen weg zu sein, der Grund wieder begehbar. Ich wagte einen Versuch. Mit vorsichtigen Schritten bewegte ich mich über den immer noch weichen Untergrund. Und da kam sie zu mir, die Einsicht. Kein Geistesblitz. Eher in Form einer Brise, die mich langsam und vorsichtig umweht.

Gewiss, der Systemfehler war behoben. Die feuchte Wand sollte ebenfalls nach 6-12 Monaten wieder abgetrocknet und bereit sein für weitere Renovierungsarbeiten. Doch was fand ich hier draußen unter meinen Füßen? Eine Mischung aus Sand, Tonboden, unzähligen Steinen und ein paar Scherben von der alten Drainage aus tönernen Rohren. Ein paar kaputte Wurzelstränge erinnerten an die alte Flora, die hier mal gedeihen konnte. Der komplette Mutterboden war weg, vermischt, verteilt, untergegraben. Wie soll hier jemals wieder etwas wachsen können? Außer etwas Unkraut vielleicht?!

„Hier werde ich so viel säen und pflanzen können, wie ich will.“ dachte ich. Ein unfruchtbarer Boden wird niemals gute Frucht tragen.

In den folgenden Wochen musste ich immer wieder an das sogenannte Gleichnis vom „Sämann“ denken, eine beliebte Geschichte aus dem Neuen Testament der Bibel, über die gerne oft gepredigt wurde. In all diesen Predigten hatte man immer wieder betont, dass wir „säen“ sollen. Gemeint war damit, das Evangelium zu „säen“ oder „das Wort Gottes“, also die Bibel. Säen, säen, säen, immer und immer wieder. Sät! Sät! Sät viel! Hört nie auf zu säen! Seht auf den Sämann, seht, wie er sät! Doch während ich so an meinen Beinen herunterblickte begriff ich zum ersten Mal, dass diese Auslegung eine ziemlich falsche und dumme sein muss. Die Geschichte ist zwar als „Gleichnis vom Sämann“ bekannt geworden, aber eigentlich ist es das Gleichnis vom Boden, besser gesagt: von den Böden. Denn wo kein fruchtbarer Boden ist, kann man zwar säen, so viel man hat und will, wird es aber immer vergeblich tun.

Nun hatte ich mein eigenes Gleichnis. Ich stand mit meinen vollen 80kg Körpergewicht mitten drauf. Altes, frommes Predigergeschwafel wurde plötzlich zu einer extrem praktischen, realistischen Lektion in 3D, buchstäblich vor meiner eigenen Haustür und hinter meinem eigenen Heim, in meinem eigenen Garten. Wie also macht man richtig schlechten Boden wieder fruchtbar, um irgendwann auch wieder Früchte sehen zu können?

Ich fühlte mich hilflos, tu es immer noch. Es würde Zeit brauchen. Viel Zeit, sehr viel Zeit. Zeit, darüber nachzudenken, dass es auch in unserer säkularen Gesellschaft keine schnell wachsenden Früchte mehr gibt, weil der geistliche Boden um uns herum noch härter ist, als das merkwürdige Gemisch, auf dem ich gerade stand. Doch dann fiel mir auf, dass ich während der letzten 20 Jahre eigentlich nichts anderes gemacht: Unfruchtbare Böden umpflügen, entsteinen, düngen, auflockern, und so weiter. Es war und ist eine frustrierend harte Arbeit, mit reiner Muskelkraft aus geistlichen Parkplätzen, von schweren Walzen asphaltiert und künstlich beleuchtet, wieder geistliche Äcker zu machen, auf denen wieder was wachsen kann. Es ist eine schweißtreibende, langwierige Arbeit.

Deshalb hatten mich auch diese anstrengenden Erfolgsprediger schon so lange genervt, die mich im Geiste auch jetzt wieder anschrieen: „Sä, Marcus, sä, ja, auf diesen Boden, auf dem Du stehst! Sä, Marcus, sä viel! Dann wird Gott das Wunder tun, Er wird alle Steine in weichen Mutterboden verwandeln und die Scherben zu Dünger machen! Sä Marcus! Die Ernte ist reif doch der Arbeiter sind wenige! Ans Werk, ans Werk! Wenn du säst, bist du ein guter Christ und gute Christen wird Gott segnen! Ihr werdet Erfolge haben! Wenn ihr aber keinen Erfolg habt, dann hat Gott euch nicht gesegnet, weil ihr es falsch gemacht habt!“

Wie oft hatte sich solch fromme Gelaber anhören müssen. Unreifes Papperlapapp, vergiftet von den süßen Drogen des Business- und Wohlstandsevangeliums. Aus Mündern von Menschen, die sich zwar für fromm halten, aber nie wie Moses, Johannes oder Jesus in der Wüste waren, um Entbehrungen auszuhalten und Durchhaltevermögen zu entwickeln. Die noch nie einen Acker von Hand umgegraben haben, weil sie erwarten, Gott würde alle Drecksarbeit für sie erledigen und sie selbst auf Sänften tragen. Ziemlich untypisch Jesus, nebenbei bemerkt.

Für mich war daher der Anblick meines nicht mehr existenten Gartens einerseits sehr schmerzhaft anzusehen. Andererseits aber auch eine hoffnungsvolle Flüsterbotschaft Gottes: „ICH bin bei Dir. Und wenn ICH Zeit habe, dann hast Du sie auch.“

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