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Selig sind die Barmherzigen

„Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“

Papst Franziskus

Es gibt viele tolle Zitate über Barmherzigkeit. Franz von Assisi, Blaise Pascal, Mutter Theresa, die Liste ist lang, die Worte beeindruckend. Doch nur, wer Barmherzigkeit übt, wer es zu einem Lebensstil macht, erhält die Auszeichnung der Seligkeit. Nicht, wer darüber referiert. Wir leben in Zeiten, wo ein anderes Zitat, eines der ältesten überhaupt, nämlich das berühmte „Sollte Gott gesagt haben…?!“ gerade zu seiner vollen Reife und Bedeutung zu gelangen scheint. Der Mensch macht sich selbst zu Gott, zum Mittelpunkt des Universums. Auf dem Altar des Egos wird geopfert und angebetet. Nur so kann man die wachsende Bandenkriminalität Schwedens erklären, den aggressiven Größenwahnsinn Russlands, die merkwürdige Polarisierung in den USA, das ewig besserwissende Lamentieren in Deutschland. Der Mensch nimmt sich selbst zu wichtig, degradiert seine Nächsten mit Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit ist schlimmer als Hass. Weil sie gefühllos und damit unmenschlich ist.

Der Gleichgültige hat den inneren Sturm bereits selbst gestillt, jenen Sturm, der die Gedanken und Gefühle durcheinanderwirbelt im Versuch, zwischen eigenem Vorteil und Wohl der Gemeinschaft zu navigieren. Das Ich hat das Wir besiegt, das Individuum regiert fortan über dem Kollektiv. Das ist vermutlich die größte Schwäche westlicher Gesellschaften, weil es uns die Sinnlosigkeit des gottlosen Seins offenbart. Die immer größer werdenden psychischen Probleme unserer Gesellschaften liefern bergeweise Belege dafür, doch wen kümmert’s schon. Jetzt ist Cannabis doch legal, dann merkt’s doch keiner mehr.

Dem bekifften Ego ist nur zu helfen, wenn es endlich einsieht, dass es als Spiegel, nicht als Statue geschaffen wurde. In der Begegnung mit dem Anderen spiegeln wir uns, in der Begegnung mit Gott spiegeln wir Gott wider. Doch dazu müssen wir gegenwärtig sein, klar und lebendig. Weder benebelt noch wie eine in Stein gemeißelte Götzen-Visage. In der Begegnung mit den Schwächen der Anderen begegnen wir der eigenen Schwäche. Helfen wir denen, helfen wir uns selbst, weil wir auch die Erleichterung des Anderen spüren und widerspiegeln werden. In der Begegnung mit Gott erkennen wir den Ursprung der eigenen Seele, unseres Bewusstseins, im Rendezvous mit seiner Stärke werden wir stark.

Alle solche Begegnungen stärken uns, entwickeln uns weiter wie permanente Softwareupdates. Unsere Menschlichkeit, unseren Gemeinschaftssinn, unsere Solidarität und soziales Engagement. Aber auch unsere Resilienz, unser Durchhaltevermögen, unser Verständnis für die gegenseitige Abhängigkeit, die uns Menschen ausmacht. Die fortlaufende, ehrliche Interaktion mit anderen macht uns weiser, klüger, stärker, wir entdecken mehr von Gottes Größe und Barmherzigkeit. Die Begegnung mit Gott hingegen lehrt uns Demut und Dankbarkeit, zwei Grundvoraussetzungen für ein gelungenes Leben.

Deshalb darf Barmherzigkeit nicht als moralische Pflicht angesehen werden, nur, um das ethische Gewissen zu beruhigen oder um gut dazustehen. Es ist kein Abwägen zwischen mir oder dem Anderen. Dem Mitmenschen mit authentischer Ehrlichkeit zu begegnen, wir immer auch Kraftfutter für die eigene Seele sein. Deshalb sind Barmherzige oft faszinierende Persönlichkeiten, stets gesättigt mit Barmherzigkeit. Selig eben.

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