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Warum Gemeindegründung?

Was hat der böse Wolf – der laut 1Petr 5,8 ein böser Löwe ist – mit Gemeindegründung zu tun?

Morgen ist es wieder so weit. Es gilt, den Studenten der Akademie für Leitung und Theologie die Frage „Warum Gemeindegründung?“ in einer Unterrichtseinheit zu beantworten. Es ist interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die selbe Frage innerhalb der letzten 30 Jahre beantwortet wurde.

Lange, lange Zeit wäre die „Antwort“ auf diese Frage ein noch größeres Fragezeichen gewesen, denn das Wort „Gemeindegründung“ war in Europa so gut wie nicht existent. Man war der festen Überzeugung, dass es flächendeckend doch wohl genug Kirchen gebe. Nur eine Generation zurück können wir dieses Phänomen noch immer deutlich beobachten.

Dann kam die Einsicht. Und damit begann der Gründungsboom der 80-er und 90-er Jahre: Neue Gemeinden erreichen neue Menschen, hieß es. Bücher wurden geschrieben. Neue Gemeinden sind die effektivste Missionsmethode. Der Erfolg amerikanischer Megachurches inspirierte. Und in der Tat, viele neue Gemeinden sprießten auch aus europäischem Boden, viele Menschen fanden zu Jesus und in eine lebendige Glaubensgemeinschaft.

Wachsender Erfolg und wachsender Bedarf spornten noch mehr an: 100 neue Gemeinden in zehn Jahren verkündete der Bund FeG im Jahre 2005 und inspirierte damit viele andere Denominationsleiter – ganz besonders in Schweden, die ähnliche Visionen formulierten und ganz neu auf Gemeindegründung setzen lernten.

Bei allem Enthusiasmus begannen aber irgendwann erste Zweifel zu keimen. In Schweden, der Speerspitze der Säkularisierung, hat sich die Summe aller Gemeinden trotz vieler Neugründungen in fünf Jahren um fast 250 verringert. Gemeindegründung kann das dramatische Gemeindesterben nicht abfangen.

Deshalb wird Gemeindegründung umso wichtiger. Inspirationstage, Konferenzen, Trainingsprogramme, finanzielle Anreize – Gemeindegründung wurde und wird immer größer geschrieben.

Beginnende Ernüchterung: Die Zahl der Bekehrungen und neuer Gemeinden liegt weit, sehr weit unter dem, was zum Erhalt des Bestehenden benötigt würde. Vor wenigen Tagen gab unsere Partnerdenomination ein gewaltiges Abspeckprogramm bekannt. Um nachhaltig überleben zu können, müssen mehrere Millionen Kronen eingespart werden. In der Gemeinde, mit welcher H2O zu Beginn zusammengearbeitet hat, gibt es seit einigen Monaten ein großes Hauptthema: Großzügiges Geben. Die Einnahmen liegen weit unter den Ausgaben. Die einst so große Gemeinde schrumpft – und damit das Budget.

Für so manchen wird aus Ernüchterung Angst: Die vor sich gehenden Veränderungen sind noch viel größer als befürchtet. Besonders weitsichtige Menschen beginnen besorgt einzusehen, dass all das erst der Anfang ist. Völlig andere Generationen sind dabei, heranzuwachsen um völlig andere Gesellschaften zu formen.

Warum also Gemeindegründung? Für mich persönlich handelt Gemeindegründung weniger um den Aufbau einer neuen christlichen Organisation oder Institution. Viele erfolgreiche Gemeindegründungen der vergangenen Jahrzehnte sind im Grunde nichts als ein aufgemotztes Update desselben, alten Modells: Statt Kirche ein Gemeinderaum, statt Kanzel ein Rednerpult, statt Orgel eine Band, statt Bänke Stühle. Und das ist auch gut so, doch in Zukunft werden neue Institutionen nur begrenzt weiterhelfen. Denn weder einer schöner Gemeinderaum noch die Existenz eines netten Gemeindevorstandes noch ein neu eröffnetes Gemeindebankkonto machen neue Jünger. Institutionen haben heute die Tendenz, imposante Ruinen zu werden. Der Teufel fährt extrem schwere Geschütze auf, um alles geistliche Leben zu erledigen – und die Säkularisierung ist des Teufels Neutronenbombe.

Bombe hin oder her, es gibt Hoffnung.

Was wir lernen müssen, und zwar von der Pieke an ganz neu lernen müssen, ist Mission. Und Mission heißt erstmal, die Säkularisierung im eigenen Leben zu bekriegen, die „erste Liebe“ (Offb 2,4) am Lodern zu halten, wo nötig, Buße zu tun (Offb 2,5.16.21 usw.) und wieder eine Quelle sprudelnden Wassers zu werden (Joh 7,38) statt auf brackigem Mainstream dahinzudümpeln. Dann heißt es, die fromme Blase zu verlassen, Menschen in ganz anderen Welten zu treffen – obwohl sie vielleicht nur die Treppe runter wohnen. Wir müssen lernen, deren Sprache, Denken, Lebensinhalt zu verstehen (Apg 17,28), um genau hier Salz und Licht zu sein (Mt 5,13-16). Das ist zugegebenermaßen unangenehm. Es bedeutet, die eigene Sicherheitszone auf eigene Gefahr zu verlassen. Oft genug werden wir das beeindruckende Gebiss des ein oder anderen Wolfes zu sehen kriegen – wie das jüngste Beispiel des mutigen Bremer Pastors zeigt, der nur die Bibel predigt und nun von einem ganzen Rudel angefletscht wird.

Und damit nähern wir uns auch der Hauptantwort auf die Frage „Warum Gemeindegründung?“ Wir tun es weniger, um die Kirche am Leben zu erhalten. Auch nicht so sehr, um eine Denomination wachsen zu lassen oder mehr Mitglieder zu bekommen. Wir tun es ganz bestimmt nicht, um reich zu werden. Der Hauptgrund ist folgender: Weil Jesus uns wie Schafe unter die Wölfe schickt (Mt 10,16). Deshalb. Nicht mehr und nicht weniger. Gemeinde gründet sich einzig und allein im Paradox aus menschlicher Schwäche und göttlicher Kraft, aus Tod und Auferstehung, aus „ohne mich könnt ihr nichts (Joh 15,5)“ und „wir vermögen alles durch den, der uns mächtig macht (Phil 4,13)“.

Wenn Schafe solche Paradoxe unter Wölfen ausleben, wachsen vielleicht keine schönen Gemeindehäuser. Dafür aber Gemeinde, die selbst die Pforten der Hölle nicht überwinden kann, lass sie Zähne zeigen und Bombern werfen, so viel sie will (Mt 16,18). Das ist doch mal was. Darum lassen wir uns unter die Wölfe schicken, damit Er genau dort, unter den Wölfen, Seine Ekklesia bauen kann.

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