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„Organisierte Säkularisierung“

Man kann auch versuchen, der Säkularisierung auf die Spur zu kommen, indem man sich die organisierte Religionszugehörigkeit in Form von Mitgliedschaftszahlen oder Gottesdienstbesuch etwas näher ansieht. Auch hier begrenze ich mich der Einfachheit halber wieder auf unser Gastland Schweden.

Ab 1873 durfte man also aus der Staatskirche austreten. Bis dahin waren stolze 100% der Bevölkerung Mitglied dieser Kirche. Das ist wirklich beeindruckend.

Ungefähr 60 Jahre später waren immer noch 99,7% aller Bürger Mitglied. Die fehlenden 0,3% waren Juden, Katholiken und Orthodoxe. In den kommen 40 Jahren sank die Mitgliedschaft auf 95,2% (1972). Im Jahr 2000 waren immer noch 82,9% Mitglied, nach der neuesten Statistik waren 2014 noch 64,6% aller Einwohner Schwedens Mitlied der Svenska Kyrka. Derzeit sinkt die Zahl jährlich um ca. 0,6% (d.h. 0,8% treten aus, 0,2% treten ein).

1930 waren alle Freikirchler auch Mitglied in der Staatskirche. Dies hat sich etwas geändert, Doppelmitgliedschaft ist aber immer noch sehr üblich. (Doppelzählungen machen es leider komplizierter.)

Für 1999 werden 873.000 Mitglieder (9,8% der Bevölkerung) in „freien Glaubensgemeinschaften“ angegeben (dazu gehört alles, was nicht svenska kyrkan ist – von römisch-katholisch über buddhistisch, islamisch bis pfingstgemeindlich). 2013 ist diese Ziffer auf 746.000  (7,7% der Bevölkerung) gesunken (insgesamt -14,5%; die darin enthaltenen islamischen Gemeinden sind gleichzeitig von 90.000 um 22,2% auf 110.000 Mitglieder gewachsen). 

Die Anzahl „reiner“ Freikirchen aller Denominationen ist von 2900 Gemeinden mit insgesamt 239.000 Mitgliedern (2000, 2,7% der Bevölkerung) auf 2400 Gemeinden mit 220.000 Mitgliedern (2010, 2,3% der Bevölkerung) gesunken.

Nach all diesen Zahlen werden einige historische Untersuchungen zum Gottesdienstbesuch besonders interessant:

Eine Studie aus dem Ende des 19. Jh zeigt, dass zur dieser Zeit (100% Kirchenmitgliedschaft!) nur 17% der Bevölkerung regelmäßig zur Kirche gingen.

Eine detaillreichere Untersuchung von 1911 zeigt, dass in gewissen Landstrichen nur 5% zur Kirche gingen, und nirgends waren es mehr als 15%.

1928 veröffentlichte eine Tageszeitung eine neue Untersuchung nach welcher nur gut 5% der Schweden regelmäßig den Gottesdienst besuchten.

1999 gaben 6,2% der Bevölkerung an, regelmäßig an einer religiösen Versammlung teilzunehmen, davon gehen 1,2% in die schwedische Kirche und 5% trifft sich „woanders“. 

Wenn man über „Säkularisierung“ spricht und sich diese Zahlen ansieht, muss man sich schon fragen, wie kirchlich oder gläubig die Leute in Wirklichkeit eigentlich waren. Oder kann es sein, dass hier nur die fromme Tünche nach all den Jahren anfängt abzublättern und nun das wahre Ich zum Vorschein kommt?!

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