Oder: Der Fluch unserer Geschäftigkeit
Eine weitere Antwort auf die gestrige Frage: „Warum?“
Am Sonntag schuf Gott das Universum, die Erde und das Licht.
Am Montag schuf Gott die Atmosphäre um die Erde.
Am Dienstag schuf Gott Kontinente und Ozeane sowie die gesamte Flora; eine Vegetation, die durch Früchte und Samen fortpflanzungsfähig ist.
Am Mittwoch schuf Gott den Rest unseres Sonnensystems und das Zusammenspiel aus Tag und Nacht.
Am Donnerstag schuf Gott die Vielfalt aller Fische und Vögel, die alle auf ihre Art fortpflanzungsfähig sind.
Am Freitag schuf Gott erst die Tiere: Insekten, Echsen, Säugetiere, alle auf ihre Art fortpflanzungsfähig. Abschließend schuf er ein Wesen, das ihn selbst widerspiegeln sollte: Den Mensch, in der Lage, eine enorme Vielfalt an Persönlichkeiten, Kulturen, Ideen und Farben zu zeugen, und Gott gab ihm den Auftrag, zu schaffen und sich um die Erde zu kümmern, wie er es selbst tun würde.
Am Samstag schuf Gott gar nichts. Er ruhte von seinen Werken.
Hier sehen wir den ersten grundlegenden Unterschied zwischen Gott und Mensch: Gott ruht von seinen Werken, der Mensch hingegen wirkt aus seiner Ruhe – denn der erste Tag unseres Seins war ein Ruhetag.
Der erste Tag unseres Schaffens muss immer ein Sabbat sein. Schaffen wir nicht aus der Ruhe, werden wir auch nie vom Schaffen ruhen.
Wie oft haben wir Gott beleidigt und gesagt: „Ich bin genau wie du! Ich kann schaffen wie ein Gott und werde mich erst dann ausruhen!“ Und wie oft mussten wir dann insgeheim einsehen, dass unser Sabbat nur ein schlechter Witz wurde?
Dessen habe ich mich ständig schuldig gemacht. Schaffe, schaffe, Gemeindle baue – ohne Punkt und ohne Komma. Es gibt immer irgendetwas Wichtiges, Schwerwiegendes, Dringendes, was unbedingt gemacht gehört, meine Aufmerksamkeit erzwingt, mich ablenkt und den guten Flow abreißen lässt. Seit 2004 haben wir zwei Urlaube gemacht, die diesen Namen verdienten. Ansonsten wurden viele Urlaubswochen, Wochenenden und Abendstunden geopfert. Wem eigentlich? Der Gemeinde? Gott?? Seinem Reich?! Vielleicht eher meinem Ego: Wer viel leistet, fühlt sich etwas göttlicher.
Stutzig wurde ich erst, als ich selbst an ruhigen Tagen nicht mehr zur Ruhe kam. Das vermeintlich Göttliche ist eine Droge, und wer sie nicht kriegt, ist auf Entzug. War ich wirklich ein Workaholic? Meine Kreativität war dahin, eingetrocknet, und ich fühlte mich eher wie ein mechanisches Räderwerk – getrieben und treibend. Doch der Mensch wurde nicht als Maschine geschaffen.
Der Mensch braucht nicht nur einen Sabbat/Sonntag in der Woche. Ein Tag pro Woche war im Garten Eden noch völlig ausreichend, wo wir uns noch nicht im Schweiße unseres Angesichts zu Tode schuften mussten. Seit dem Sündenfall – und ganz bestimmt in unserer heutigen, hocheffektiven, ewig online geschalteten Welt – brauchen wir
- eine tägliche Sabbatzeit
- einen wöchentlichen Sabbat
- eine monatliche Sabbatzeit
- eine jährliche Sabbatzeit
- unregelmäßige, längere Sabbatzeiten.
Mir wurde klar, dass ich schon wieder echte Buße zu tun hatte – das heißt einschneidende Veränderungen an meinen Gewohnheiten zuzulassen. Wer einmal bekehrt ist, sollte ja die tägliche Bekehrung zu einem Lebensstil machen, und das fordert manchmal mutige Schritte, die auf den ersten Blick bedrohlich und nicht risikolos erscheinen.
Interessanterweise führt mich Gott auf meinen Bußwegen immer wieder zu 1. Mose Kapitel 1-2 zurück. 2017 hatte ich mich dazu bekehren lassen, nur noch jene Speisen zu verzehren, die uns unser Macher in 1,29 zum Genuss serviert. 2018-19 trat der Sabbat vor mir auf: Wer wirklich Gott widerspiegeln will, muss wirklich Mensch sein. Und das heißt: Aus der Ruhe schaffen – nicht umgekehrt.
Doch eingefahrene Muster ändert man nicht so leicht. Wer sein Leben lang überzeugt Fleisch, Wurst und Milchprodukte genossen hat, stellt sich nicht über Nacht um. Zu viel ist noch im Kühlschrank, in der Speisekammer, zu automatisch greift man im Laden nach den gewohnten Produkten, kocht die altbekannten Rezepte. Wer, wie ich, aus einer Arbeiterfamilie kommt, mit 16 angefangen hat, sein eigenes Geld zu verdienen, wer sich mit viel Fleiß und Disziplin durch viele Ausbildungen und Jobs zu einem gewissen Rang gearbeitet hat, wer gewohnt ist, Ruhezeiten als nebensächlichen Luxus zu betrachten, ändert auch das nicht über Nacht. Gefühlt steht viel auf dem Spiel: Meine Position, mein Ruf, im schlimmsten Fall mein Einkommen.
Ich musste mich entscheiden: Weiter den Göttlichen spielen oder wieder Mensch werden.
Fortsetzung folgt