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Selig sind die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit

Hunger.

Wir mögen schon erlebt haben, wie es sich anfühlt, wenn unfreiwillig das Mittagessen ausfällt. Manchmal fasten wir vielleicht sogar freiwillig. Für ein paar Stunden oder Tage. Doch echten Hunger, also jeden Morgen aufwachen zu müssen, ohne zu wissen, wann oder ob überhaupt der heutige Tag eine Mahlzeit bringen wird, das kennen wir nicht. Im Gegenteil: Obwohl Hunger für den Großteil der Menschheit immer zu den größten Todesgefahren gehörte, viele Völker immer wieder durch Hungersnöte geschrumpft sind, ist es heute statistisch wahrscheinlicher, an den Folgen von zu viel Pizza, Burger und Zucker zu sterben. Für uns ist Hunger nur noch eine Vokabel. Voll fett krass.

Dem Durst hingegen mögen wir schon näher gekommen sein. An einem heißen Sommertag oder auf einer längeren Wanderung ohne ausreichend Wasserzufuhr ist es relativ einfach, eine moderate Dehydration mit Kopfschmerz, trockenem Rachen, Schwindel oder mehr zu erleben. Im Gegensatz zum Essen kommt man beim Wasser viel schneller in lebensbedrohliche Situationen. Doch wer verdurstet heute schon noch im Land des fließenden Warm- und Kaltwassers, das niemand mehr aus irgendwelchen Brunnen hochziehen und durch glühende Sonne heimschleppen muss? Wir haben so viel exzellentes Wasser im Kran, dass wir es uns sogar leisten können, unsere Fäkalien mit famosem Trinkwasser wegzuspülen. Schließlich gibt es gefühlt unbegrenzten Nachschub in der Leitung. Nein, Durst in Form von Todesangst, dass der Cola-Kühlschrank da vorne doch nur eine Fata-Morgana sein mag, ist uns ebenfalls unbekannt.

All das macht Jesu Aussage aus Matthäus 5 schwierig für uns. Schwer zu verstehen. Fast gleicht sie den Fragen eines Anästhesisten „Merken Sie das? Hören Sie mich noch?“, nachdem er uns eingeschläftert hat: Wir kriegen einfach nix mit. Weder hören noch merken wir was. Wir sind betäubt von der Droge des Wohlstands. Bestenfalls lallen wir noch:

Gerechtigkeit?!“ Ohne zu wissen, wovon wir reden.

Meine Generation wuchs in einer geordneten Welt auf, in der das meiste gesetzlich geregelt war bzw. ist. Wohlstand und Gerechtigkeit für alle. Es gab eine Polizei, die in der Regel großes Vertrauen genoss und Gerichte mit Richtern, die im Zweifel Recht sprachen. Diese Welt war Normalzustand für uns und ist es immer noch. Was Gerechtigkeit angeht, sind die meisten von uns ziemlich sitt und satt aufgewachsen. Wir haben kaum erlebt, dass andere uns nach eigenem Gutdünken dauerhaft abzocken dürfen. Weder kennen wir Sklaverei noch das willkürliche Entführen oder Töten derer, die sich nicht widersetzen können.

Nun aber steigt die Wahrscheinlichkeit, Menschen zu treffen, denen all das nicht so unbekannt ist. Die viele Geschichten und sehr konkrete Gründe haben, warum es sie nach Gerechtigkeit hungert und dürstet. Plötzlich beginnen wir zu ahnen, dass unser eigener, gepflegter Lebensstil, unsere Urlaube, unsere Kleidung, unser Konsum, massiv zur Ungerechtigkeit in der Welt beigetragen haben mag. Wir lebten wie Könige in einem Schloss, die gar nicht mitbekamen, was draußen vor den Schlossmauern alles so abgeht.

Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, sagt ein Sprichwort, und doch dürfen wir auf einen barmherzigen Gott hoffen. Keinesfalls aber dürfen wir dabei vergessen, dass dieser Gott immer eher auf Seite der Schwachen und Hilfsbedürftigen steht, und das sind in der heutigen globalen Welt: Nicht wir. Jesu Worte sind eine Aufmunterung an die Hungernden und Dürstenden, sie werden satt werden, gleichzeitig eine Warnung an die Sitten und Satten.

Es ist jetzt, hier und heute, in dieser Zeit, wo sich die Zukunft des Westens entscheidet: Sind wir bereit zu lernen und Verantwortung zu übernehmen? Oder ziehen wir die Zugbrücken hoch und vertreiben den Mob, der uns in Frage stellt?

Wir haben unser Urteil selbst in der Hand. Gott wird es nur noch aussprechen und rechtskräftig machen.

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