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Die Lehre der Leere (4): Die Katholikin

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Natürlich hatte ich nicht die Geringste Ahnung, was von dem Büchlein ausgehen sollte, das ich gerade in meinen Händen hielt. Für mich war es bis jetzt nicht mehr als ein kleines, gebundenes, ziemlich blödes Layout. Nichts, was ich je freiwillig in die Hand genommen hätte. Obendrein pries es sich selbst als „Klassiker“ an und ich fragte mich, warum Eigenlob eigentlich nur bei Menschen stinkt. Marketing ist doch auch nichts anderes als eine legitimierte Rechtfertigung, die eigenen Fürze als Wohlgeruch anpreisen zu dürfen. Jedenfalls hatte ich weder vom „Klassiker“ Schritte auf dem Weg, dem Titel des Buches, noch der Autorin Gunnel Vallquist je etwas gehört. Ich kannte nur den Namen des Verlages. Und das war auch der einzige Grund, warum ich die Buchdeckel überhaupt öffnete.

Als ich in den ersten Zeilen des Vorwortes las, dass jene Gunnel eine aufrichtige Katholikin gewesen war, hätte ich mit Nathanael augenrollend stöhnen können „was kann denn aus der katholischen Kirche schon Gutes kommen?“ Schon Luther wusste, das der Papst der Antichrist war, naja, der gegenwärtige mochte vielleicht eine Ausnahme sein, aber wir Freikirchler, ja, wir, wir haben’s auch schon immer gewusst, dass Katholiken eine total verkehrte Theologie glauben, aber sowas von daneben, dass Katholiken ständig im Niemandsland zwischen Institution und Aberglaube herumspuken und die Ökumene vom Teufel sein muss.

Und überhaupt, alle Argumente, die der gemeine Homo Europaticus Modernicus wie weiße Mäuse oder graue Gremlins flink aus philosophischen Hüten zu zaubern pflegte, Argumente, warum es gar völlig absurd und überholt und lächerlich ist, diesen christlichen Glauben in seiner Ganzheit ernsthaft anzunehmen, diese Argumente haben ausnahmslos alle, naja, fast alle, oder sagen wir ganz schön viele, auf jeden Fall sind es deutlich mehr als ein oder zwei, mit Kritik an der katholischen Kirche zu tun.

Sei es das uralte Zölibat zum Beispiel, dass Priester zu sexlosen Wesen verdonnert ohne ihnen die Erlösung der Kastration anzubieten und damit das gespaltene Verhältnis der katholischen Kirche zum Sex offenbart. (Wir Freikirchler haben dieses Problem natürlich nicht, denn wir sehen ja nicht auf alte Traditionen, sondern ausschließlich auf Jesus.) Oder die Kreuzzüge, ein immer wieder gern genommenes Argument gegen den Glauben, zu denen Päpste und Könige (und keine Pfingstpastoren) aufriefen, um mit Schwert und Todesmut ins Heilige Land zu ziehen.

Leicht wäre es also gewesen, jenes aus perfekter Tarnung aufgetauchte Büchlein mit schmollmündig genervter, typisch deutscher Besserwisserei zur Seite zu schieben.

Was ich zu meiner eigenen Überraschung stattdessen tat, war das Buch samt Vowort zu schließen, ein paar Sekunden in meinen Händen zu betrachten und dann wieder wahllos irgendwo mittendrin erneut zu öffnen.

Fortsetzung folgt.

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