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Selig sind die Friedensjäger

Seit Israel bin ich entschlossen, ein wenig Hebräisch zu lernen. Deshalb nutze ich grad jede Gelegenheit, alttestamentliche Worte im Original zu studieren.  Zum Beispiel Psalm 34,15. Da steht tatsächlich „nachjagen“, wenn es um „Shalom“ geht. Ich finde es schon irgendwie lustig, dass ausgerechnet der Friede „gejagt“ werden soll. Es klingt fast so, als solle er erlegt und als Trophäe tot an die Wand gehängt werden, der Arme. Doch wir müssen uns wohl in Erinnerung rufen, dass die Jagd nicht immer ein Privileg der Reichen war. Bevor der Westen den Fließbandmord im Schlachthaus oder den Überfluss im Supermarkt erfand, war Jagd manchmal noch überlebenswichtig. Und weil kein Tier freiwillig in den Tod geht, hat der Mensch gelernt, lieber keine Fleischfresser zu fressen, denn die könnten den Spieß umdrehen und uns selbst zum Gejagten machen. Damit der Schuss also nicht nach hinten losgeht, bevorzugten wir die Jagd auf Fluchttiere.

Der Friede scheint auch der Gattung „flüchtig“ anzugehören. Eben war er noch bei uns – doch einen Moment nicht aufgepasst, schon hat der Bursche sich aus dem Staub gemacht. Das kennen wir alle. Traute Gemeinsamkeit, ein falsches Wort, alles vorbei. Und dann? Schlagen wir uns die Köpfe ein? Schmollen wir in der Ecke herum? Fegen wir ein paar Beulen unter den Teppich? Oder gehen wir den Frieden suchen? Dann hat die Jagd begonnen.

Einmal ging ich mit Patenkind und Hund im Wald spazieren. Plötzlich wurde mein geborener Jagdvierbeiner ungewöhnlich nervös und ich wusste sofort: „Hier ist ein Elch herspaziert. Er muss noch in der Nähe sein.“ Wir trugen gute Schuhe für einen Marsch abseits der Wege und entschieden, dem Hund den spannenden Befehl zu geben: „Spår!“ Sofort ging die Nase auf den Boden und der Hund riss uns hinter sich her. Wie auf Schienen folgte er der Spur des Königs der Nordwälder. Man glaub es kaum, aber Elche können sich sich sehr elegant und schnell fortbewegen. Sümpfe, Zäune, Flüsse, Felsen, alles kein Problem. Im Gegensatz zu uns. Anders als der Elch waren wir gezwungen, einige Umwege einzulegen, doch die Nase des Hundes brachte uns immer wieder treffsicher zur Spur zurück.

Shalom und Elche haben vielleicht nicht viel, aber doch einiges gemeinsam. Sie sind majestätisch, frei und schnell auf jedem Untergrund. Man kann ihre Fußabdrücke auf dem Boden sehen, doch zum Aufspüren braucht es einen besonderen Sinn. Und diesen sechsten Sinn gilt es zu lernen. Frieden aufzuspüren ist die Hauptaufgabe der Gemeinde des 21. Jahrhunderts – im Zeitalter der Angst, Feindlichkeit und Polarisation.

Wie macht man das? Theoretisch ist es ganz einfach. Wir müssen nur die Bergpredigt leben. Hätten wir nur diese drei Kapitel als Bibel, könnten wir dennoch gar nichts falsch machen. Dort lernt man, Gott und seinen Nächsten zu lieben, und damit ist alles abgehakt. Wer sich der außerordentlichen Ehre bewusst ist, Salz und Licht der Erde sein zu dürfen, wer sich mit dieser Krone genüsslich anderen unterordnen kann, wer sich keine Sorgen mehr macht, weil unser Vater uns das tägliche Brot gibt und vieles mehr, der wird ein Abbild des Friedefürsten. So entwickelt sich die Spürnase, und damit die Weisheit, zur rechten Zeit das Rechte zu sagen und tun oder zu schweigen und lassen.

Friedensjäger sind Friedensstifter und damit hochgeehrte Persönlichkeiten. Als solche leben sie ein vorbildliches, aber nicht ganz ungefährliches Leben. Die Geschichte zeigt, dass manchmal nicht der Friede, sondern der Friedensjäger als Trophäe aufgehängt wird. Doch eins ist sicher: Eines Tages mag uns vielleicht ein Geschoss die Ventrikel zerfetzen, aber nichts kann einen Friedefürst im Herz der Seele treffen.

Wie selig ist das denn?!

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