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„Vad håller ni på med?!“

Das ist schwedisch, bedeutet „Was macht ihr da eigentlich?!“ und ist eine durchaus angemessene Reaktion, wenn man die Wahlprogramme schwedischer Parteien vor der anstehenden Reichstagswahl betrachtet.

(Bild oben: Beim Klimawandel scheint die schwedische Politik der Meinung zu sein, immer noch unendlich viel Wasser unter dem Kiel zu haben.)

Neulich hörte ich von Diane, einer schwedischen Diplomatin mit einem Lebenslauf wie aus einem James-Bond-Film. Um die Sicherheit ihrer Familie zu gewährleisten, hat Diane sich entschieden, dem diplomatischen Außendienst einer Weile den Rücken zuzukehren und derweil in die heimische Politik einzusteigen. Dianes interessante Zusammenfassung lautet: „Diplomatie und Politik sind zwei völlig verschiedene Welten.“ Die Diplomatie lebe mitten in der harten Realität, dort gelte es, handfeste Probleme und steinharte Konflikte zu lösen. Dort flögen einem manchmal buchstäblich die Kugeln um die Ohren. Politik hingegen lebe in Wolkenkuckucksheim, die sich gerne mit schönen Worten und schwammiger Vagheit als ehrenvoller Held inszeniere.

An diese Beschreibung muss ich denken, wenn ich mich mit den Parteiprogrammen vor der anstehenden Reichstagswahl beschäftige. Denn die größte Herausforderung, vor der die Menschheit je gestanden hat, spielt dort keine Rolle. Das heißt, sie spielt dort nur eine politische Rolle, es gehört halt zum guten Ton, den Klimawandel auch an Bord zu haben. Doch wirklich angehen will man ihn nicht. Die Moderaterna glauben ernsthaft, der Markt und das verantwortliche Handeln des Einzelnen werden’s lösen (Wolkenkuckucksheim hoch zehn!). Bei den Sozialdemokraten ist das Klima keine eigene Überschrift wert, und wenn es doch im Text erwähnt wird, dann sind es nur allgemeine Schlagworte wie Klimapolitik oder Klimakrise, ganz ohne jeden konkreten Plan. Bei den Liberalerna hat das Klima noch nicht mal eine eigene Überschrift. Doch immerhin zwei konkrete Ideen: Der Ausbau der Kernkraft und eine Prämie für den, der „CO2 einfängt“ – ein fast schon amüsanter Vorschlag, viel Glück auch! Bei den Christdemokraten steht das Thema ganz hinten an – buchstäblich als das Allerletzte im Programm. Man bedient sich zwar fleißig christlichen Vokabulars wie „die Verwaltung der Schöpfung“, doch es bleibt nicht mehr als eine philosophische Abhandlung („Dass Mensch und Tier nicht denselben Wert haben, heißt nicht, dass das Tier keinen Wert hat.“ Aha, ach so, – und was genau schließt man jetzt daraus?). Es scheint, als wolle die Partei vor allem den vielen Freikirchlern im Lande genüge tun. Auch bei den rechtspopulistischen Schwedendemokraten kommt das Klima erst ganz hinten im Programm, und sie schieben die Verantwortung wie die Moderaterna auf den Markt und die Privatperson. Bei den schwedischen Grünen fällt auf, dass das aktuelle Parteiprogramm aus dem Jahre 2013 stammt. Obwohl sie eine „grüne Ideologie“ groß auf den Fahnen haben, scheinen auch sie der Zeit massiv hinterherzuhinken.

Im Frust dieses ewigen Hinterherhinkens bleibt nur zu hoffen, dass bald mehr Leute wie Diane die Politik prägen werden. Sie sagt, in Afghanistan zum Prepper* geworden zu sein. Dort wusste man nämlich nie, wann man das nächste Mal was zu Essen bekam. Deshalb musste man stets gut vorbereitet sein.

Möge ein solch weises Vorausschauen unsere westliche Naivität schnell ersetzen.


* Der englische Begriff Prepper bezeichnet laut Wikipedia Personen, die sich mittels individueller Maßnahmen auf verschiedene Arten von Katastrophen vorbereiten.

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