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Katzentheologie oder: Evangelikale der Zeit

An dieses Bild musste ich denken, als ich den neulich veröffentlichten Bericht über „die Evangelikalen“ in der „Zeit“ las („Schwimmen mit Gott“ – hier auch online zu lesen). Der Journalist, welcher sich als „kritischer Katholik“ bezeichnet, nimmt als eine Art Selbstversuch an einem evangelikalen Familienkongress teil und beschreibt seine subjektiven Erlebnisse. Der Selbstversuch fällt positiver aus als angenommen und ich schätze die Ehrlichkeit des Autors. Trotzdem finde ich den Artikel in höchstem Grade bedauerlich. Fast schon traurig. Nicht wegen der Art, wie hier Evangelikale präsentiert werden, sondern wegen der Art, wie sich Evangelikale offenbar selbst präsentieren; wie sie unabsichtichlich preisgeben, woran sie wirklich glauben: ER füttert mich, ER pflegt mich, ER kümmert sich um mich. ER wäscht mir die Füße, ER hält meinen Lebensweg in seiner Hand, ER greift in mein Leben ein, ER rettet mich. Schlussfolgerung: ICH muss der wichtigste sein hier, wenn selbst der Allerhöchste mich so verwöhnt wie eine Stewardess in der First Class.

Ist das wirklich alles, was wir Evangelikalen zu sagen haben? Komm zu Jesus, sei es baggerfahrenderweise oder auf die Showbühne, Hauptsache du kommst zu Jesus, damit er dich auch so verwöhnen kann. Ist das der Kern unseres Glaubens? Im Ernst?

Dann lesen wir die Bibel wie das Jahrbuch einer Firma oder Schule: Als allererstes suchen wir danach, wo ich erwähnt und abgebildet bin. Als allererstes suchen wir, wo ICH in der Bibel vorkomme, wo er mich meint.

Schade, dass Kilian Trotier, der Zeit-Journalist, nur wenig fundierte Bibeltexte und -exegesen zu hören bekam. Worauf gründet unser Glauben eigentlich? Auf unseren Bedürfnissen? Müssen wir bunte Reklame machen wie die Werbeindustrie, die Produkte verkaufen will, die eigentlich kein Mensch braucht??? Jesus, die perfekte Ergänzung zur Konsumgesellschaft? Typische Katzentheologie.

Hunde sehen das ganz anders: Dem Herrchen, das mich hier so treu versorgt, schwöre ich absolute Unterordnung und Treue bis in den Tod. Ich bin völlig unwichtig hier und nur dazu da, Herrchen zu folgen. Selbst, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle, wenn’s schmerzhaft wird, wenn ich unsicher bin – ich schwöre Treue bis in den Tod.

Warum handelt der Zeitartikel nicht über die Erfahrung eines kritischen Katholiken, hier viele Menschen erlebt zu haben, die ihren Gott von Herzen lieben wie ein guter Hund seinen Herrn? Warum konnte nicht gesagt werden, dass es für den Autor nur schwer nachzuvollziehen ist, aber hier waren Leute, die sich mit ganzem Herzen einer größeren Sache verschrieben haben und die sich dieser Sache voll und ganz hingeben. Hier waren Menschen, die dieses Größere, an das sie glauben, nicht aufgeben wollen, auch wenn es schwer wird. Die diesen Gott selbst noch nicht hundertprozentig verstanden haben, einfach, weil er zu groß und unendlich ist, die aber nicht aufgeben, ihn immer besser kennenzulernen. Menschen (oder sollte ich sagen „Hunde“?), die nicht nur die Theorie studieren, sondern sich gegenseitig anspornen, die Gebote ihres „Herrchens“ treu und zuverlässig auszuführen, und zwar täglich und am besten im Rudel, nicht als Individualisten. Menschen, die durch ihre Hingabe imponieren, nicht durch ihre Show.

Das wäre mal ein Artikel gewesen. Ich bin mir sicher, bei der „Süddeutschen“ gibt es auch viele kritische Katholiken unter den Journalisten. Vielleicht hat diese Tageszeitung eines Tages mal das Glück, einen solchen Artikel über erlebte Hundetheologie veröffentlichen zu können.

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